Überstundenzuschlag Teilzeit – Wann muss er gezahlt werden?
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Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat seine Rechtsprechung geändert.Der entschiedene Fall: Es ging um einen Tarifvertrag, in dem auszugsweise folgende Regelungen enthalten waren:
– Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt, ausschließlich der Pausen, 39 Stunden pro Woche bzw. 169 Stunden monatlich.
– Die Arbeitszeit kann einzelvertraglich als Jahresarbeitszeit vereinbart werden. Bezugsgröße ist ein vorher festzulegender Zwölfmonatszeitraum. In diesem Fall beträgt die Jahresarbeitszeit für eine Vollzeittätigkeit 2028 Stunden, für eine Teilzeittätigkeit entsprechend weniger.
– Mehrarbeit im Sinne dieses Tarifvertrages ist diejenige Arbeitsleistung, die über die regelmäßige monatliche Arbeitszeit hinausgeht.
– Mehrarbeit ist mit einem Zuschlag von 25 % des Bruttostundenentgelts zu vergüten.
Mehrarbeit im Sinne der Jahresarbeitszeit ist mit einem Zuschlag von 33 % zu vergüten.
– Bei Teilzeitkräften ist Mehrarbeit nur diejenige Arbeitszeit, die über die regelmäßige monatliche Arbeitszeit einer Vollzeittätigkeit hinausgeht.
Mit einer teilzeitbeschäftigte Mitarbeiterin war im Arbeitsvertrag eine Jahresarbeitszeit vereinbart. Am Ende des Jahres wies ihr Arbeitszeitkonto 19,69 Stunden über ihre im Arbeitsvertrag geregelte Jahresarbeitszeit hinaus aus; es blieb aber unter den 2028 Stunden für Vollzeitarbeit – siehe oben – . Die Mitarbeiterin klagte gegen ihren Arbeitgeber und verlangte die Bezahlung eines Zuschlages von 33% auf 19,69 Stunden.
Der Arbeitgeber argumentierte, die Mitarbeiterin habe keinen Anspruch auf den Zuschlag, weil sie keine Mehrarbeit geleistet habe. Bei Teilzeitbeschäftigten handele es sich nach dem Tarifvertrag nur dann um Mehrarbeit, wenn die Arbeit über die monatliche Arbeitszeit einer Vollzeittätigkeit hinausgehe – siehe oben letzte Regelung im Tarifvertrag – . Die Mitarbeiterin gewann den Prozess.
Die Argumente des BAG:
Mit der Mitarbeiterin war im Arbeitsvertrag eine Jahresarbeitszeit vereinbart, deshalb gilt nicht die Regelung des Tarifvertrages über die monatliche Arbeitszeit.
Der Tarifvertrag sieht Regelungen zur Jahresarbeitszeit mit einem höheren Zuschlag je Stunde vor, wenn die Jahresarbeitszeit überschritten wird. Eine Jahresarbeitszeit führt zu höheren Belastungen für Mitarbeiter; sie müssen länger auf die Überstundenbezahlung warten und geben damit ihrem Arbeitgeber letztlich ein Darlehen; mit dem Überstundenzuschlag wird belohnt, wenn Mitarbeiter ihre Freizeit opfern. Diese Freizeit wird eingeschränkt, wenn über die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit hinaus gearbeitet werden muss.
Das gilt zwar in gleicher Weise für Vollzeit- und Teilzeitmitarbeiter, führt aber fürTeilzeitmitarbeiter zu einer höheren individuellen Belastungsgrenze, wenn sie erst für die Überstunden einen Zuschlag erhalten, die über die Arbeitszeit von Vollzeitmitarbeitern hinausgehen. Denn für Teilzeitmitarbeiter wird dann die Schwelle, ab der ein Anspruch auf Zuschläge entsteht, gerade nicht im Verhältnis zu ihrer individuellen Arbeitszeit abgesenkt. Darin liegt eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung von Teilzeit- im Vergleich mit Vollzeitmitarbeitern; von dieser Bewertung können auch Vereinbarungen in Tarifverträgen nicht abweichen.
Das BAG hat diese geänderte Rechtsprechung mittlerweile in vier weiteren Urteilen bestätigt; die jahrelange andere Rechtsprechung hat sich erledigt. Folgen aus der Sicht von Arbeitnehmern
Die geänderte Rechtsprechung trägt letztlich wohl der Realität Rechnung, dass viele Teilzeitmitarbeiter ihre individuelle Arbeitszeit bewusst vereinbaren, um familiäre und andere Belange mit ihrem Job vereinbaren zu können. Vor diesem Hintergrund ist ihre individuelle Belastung dann richtigerweise höher als bei Vollzeitmitarbeitern, wenn sie ihre vereinbarte Teilzeitarbeitszeit wegen Überstunden überschreiten müssen. Folgen aus der Sicht von Arbeitgebern
Ein Weg, die betriebswirtschaftlichen Folgen zu relativieren, sind Arbeitszeitmodelle mit längeren als nur monatlichen Ausgleichszeiträumen. Dies gelingt aber nur, wenn regelmäßig überprüft wird, ob die Arbeitszeitmodelle tatsächlich zur Nachfrage nach den Produkten und / oder Dienstleistungen passen, und die Modelle ggf. angepasst werden. Regelmäßige Überprüfungen verringern zudem internes Konfliktpotential mit (Teilzeit-) Mitarbeitern, wenn sie für diese sichtbar und verständlich erfolgen und entsprechend kommuniziert werden.
Bei Teilzeitarbeit neben einer Teilrente oder bei Teilzeitvereinbarungen in (langlaufenden) vorsorglichen Sozialplänen / Betriebsvereinbarungen oder nach Kurzarbeitsphasen ist gut argumentierbar, dass diese Rechtsprechung darauf nicht übertragbar ist; denn hier ist der Zweck der Teilzeitarbeit offensichtlich nicht, persönliche Dispositionsfreiheit über Freizeit zu schützen. Bei Teilzeit neben einer Teilrente wird es regelmäßig nicht darum gehen, familiäre und andere Belange mit dem Job vereinbaren zu können. Bei Sozialplänen und Kurzarbeit geht es um den Erhalt von Arbeitsplätzen.
Zu den allgemeinen Regeln für die Bezahlung von Überstunden vgl. > Wann und in welcher Höhe müssen Überstunden bezahlt werden?