GF Sozialversicherung Alleingesellschafter UG

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Besteht eine Sozialversicherungspflicht eines Geschäftsführers (GF), auch wenn er Alleingesellschafter ist? Die Frage scheint überflüssig zu sein, da ein GF als Alleingesellschafter doch nicht in der Sozialversicherung versicherungspflichtig ist. Zur grundsätzlichen Versicherungspflicht eines GF vgl.
> GF Sozialversicherungspflicht bei Stimmrechtsbindung
Hier geht es um eine spezielle Gestaltung, in der der Alleingesellschafter GF auch Aufträge der Gesellschafter persönlich ausführt. Dazu im Folgenden ein Fall, der über 2 Instanzen unterschiedlich entschieden wurde. Es geht dabei um eine sog. Unternehmergesellschaft (UG); die Überlegungen gelten aber in gleicher Weise für eine GmbH. Zur UG allgemein vgl.
> Personengesellschaft, Kapitalgesellschaft: Haftung, Gründung

⇒ Der Fall

Eine UG hatte nur einen Gesellschafter, der auch ihr Geschäftsführer war. Allgemein zu Fragen der Vertretung in einer Ein Personen Gesellschaft vgl. > Wer vertritt die Ein Personen Gesellschaft
Der Gesellschaftszweck der UG war das selbstständige Erbringen von Pflegedienstleistungen im ambulanten und stationären Bereich sowohl der Altenpflege und auch der Krankenpflege, die Beratung und die Gesundheitsvorsorge.
Zwischen der UG und ihrem GF gab es einen Anstellungsvertrag. In diesem hatten beide vereinbart, dass der GF der Gesellschaft in einem angemessenen Umfang seine Arbeitskraft zur Verfügung stellt. Als Entgelt hatten beide dafür zusätzlich ein monatliches Bruttogehalt von 500 € zzgl. einer Tantieme abhängig vom Jahresgewinn der UG vereinbart. Der GF war im Übrigen berechtigt, eine entgeltliche oder unentgeltliche Nebentätigkeit auch außerhalb der Gesellschaft fortzuführen bzw. zu übernehmen, sofern sie nicht gegen die Interessen der Gesellschaft verstößt.
Die UG schloss mit einer Krankenhaus GmbH einen Dienstleistungsvertrag ab. Sie vereinbarten, dass die UG gegen Honorar selbstständig alle Arten von Diensten im ambulanten und stationären Pflegebereich, die Beratung und die Gesundheitsvorsorge erbringt; sie hatte sich dabei an die Verordnungen für häusliche Krankenpflege sowie für die behandelnden Ärzte der Patienten zu halten. Unter § 3 „Weisungsfreiheit“ des Vertrages hatten Krankenhaus GmbH und UG vereinbart, dass die UG keinen Weisungen der GmbH unterliegt und einzelne Aufträge ohne Angaben von Gründen abzulehnen kann.
Der GF der UG war bei der GmbH zur Erfüllung des Dienstleistungsvertrages als Pflegefachkraft tätig. Die UG stellte der GmbH für seine Tätigkeiten einen Betrag in Höhe von insgesamt 7.249,50 € in Rechnung.
Die Rentenversicherung stellte fest, dass der GF sozialversicherungspflichtig beschäftigt gewesen sei. Er legte ohne Erfolg Widerspruch ein; darauf klagte er mit dem Ziel, die Sozialversicherungspflicht aufzuheben. Beim Sozialgericht gewann er den Prozess, die zweite Instanz Landessozialgericht (LSG) wies seine Klage dagegen ab.

⇒ Die Entscheidung

Das LSG hat in seiner Entscheidung für eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung wir folgt argumentiert: Anders als das Sozialgericht meinte, geht es nicht um die Frage, ob eine Sozialversicherungspflicht eines Geschäftsführers (GF) besteht, auch wenn er Alleingesellschafter ist. Die zu entscheidende Frage ist lediglich, ob die Tätigkeit für die Krankenhaus GmbH einer Sozialversicherungspflicht unterliegt. Das ist der Fall, weil der Kläger dort unselbstständig beschäftigt war. Zwar war er GF der UG, aber diese hatte keine anderen Pflegefachkräfte als ihren GF beschäftigt; deshalb konnte die UG der GmbH nur ihn zur Verfügung stellen, um den Vertrag zu erfüllen. Er war zudem bei der GmbH wie andere Pflegefachkräfte auch beschäftigt: In der Regel mindestens 7,75 Stunden täglich, dies sowohl im Regel- als auch im Schichtdienst, auch nachts und auch an Wochenenden und Feiertagen. Er war des Weiteren ausschließlich in den Räumen der Station 3 der GmbH tätig und hat keine eigenen Arbeitsmittel eingesetzt, sondern die vorhandenen. Schließlich hat der Kläger in einer von der GmbH bereitgestellten Unterkunft gewohnt, und er war im Dienstplan der GmbH eingetragen. Schließlich hat die Pflegeabteilungsleitung der GmbH den Kläger kontrolliert und überwacht.
Zur Begründung, dass es nicht um die Frage geht, ob eine Sozialversicherungspflicht eines Geschäftsführers (GF) besteht, auch wenn er Alleingesellschafter ist, hat das LSG auf Folgendes verwiesen: Der GF hat ein unternehmerisches Risiko getragen, wie es für den GF einer Gesellschaft typisch ist. Er hat bei der Krankenhaus GmbH vielmehr einen festen Lohn erhalten, auch wenn dieser in dem Dienstleistungsvertrag Honorar hieß.
Schließlich spielt es auch keine Rolle, dass es keinen Vertrag mit dem Kläger selbst und der Krankenhaus GmbH gab, sondern nur einen Dienstleistungsvertrag mit der UG; der GF war bei der Krankenhaus GmbH mit einem faktischen Beschäftigungsverhältnis tätig.

⇒ Hintergründe, Resümee

Es gibt im Sozialversicherungsrecht den Unterschied zwischen einem Arbeitsverhältnis und einem Beschäftigungsverhältnis. In § 7 Sozialgesetzbuch IV (SGB IV) heißt es dazu, dass eine Beschäftigung nichtselbstständige Arbeit ist, „insbesondere in einem Arbeitsverhältnis“. Eine Pflichtversicherung in der Sozialversicherung besteht deshalb bei einem Arbeitsverhältnis immer, es kann aber auch eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit vorliegen, ohne ein Arbeitsverhältnis zu sein.
Vgl dazu auch > Scheinselbständig oder abhängig beschäftigt – Pflegefachkraft
Es besteht keine Pflicht, einen Vertrag über eine Beschäftigung schriftlich abzuschließen. Zu Ausnahmen bei einem Arbeitsvertrag vgl. > Arbeitsverträge schriftlich, mündlich, faktisch. Deshalb gibt es sogenannte faktische Arbeits- und Beschäftigungsverhältnisse.
Das Urteil ist lehrreich dazu, welche Kriterien für die Abgrenzung selbständig und abhängig beschäftigt eine Rolle spielen. Damit gibt es aber auch Hinweise zu einer Gestaltung von Vereinbarungen, die zumindest zu geringeren Risken für eine Sozialversicherungspflicht führen. Dabei entscheidet aber nie die Vereinbarung allein über die Frage einer abhängigen oder selbständigen Beschäftigung, sondern die Art und Weise, wie die Tätigkeit praktisch erbracht wird.
Diese Entscheidung stammt vom LSG Sachsen. Es gibt 2 Entscheidungen der LSG´e in Hessen und Berlin-Brandenburg, bei denen unser Kläger seinen Prozess auch in der 2. gewonnen hätte. Diese Urteile sind im Vergleich in der Begründung dünn. Bei einer vergleichbaren Gestaltung einer Gesellschaft wie hier hat wiederum das LSG Nds – Bremen wie Sachsen entschieden; der Unterschied ist lediglich, dass dort Unternehmensberatung statt Pflegedienstleistung angeboten wurde. Gegen dieses Urteil ist mit Stand 8 / 2023 eine Revision beim Bundessozialgericht eingelegt.